Draussen abtauchen. Wie geht spiritualität in der natur?

 

Fragen Sie nicht mich, sondern probieren Sie es aus. Stellen Sie sich in einem innenraum aufrecht hin, die füsse etwa schulterbreit auseinander, locker in den knien, die arme hängen  seitlich. Atmen Sie einige male kräftig aus und ein. Schliessen Sie die augen und nehmen sie alles wahr, was sie umgibt: Geräusche,luftbewegungen, gerüche und alles andere. Nach einigen minuten machen Sie eine vierteldrehung und nehmen wieder wahr, was sich von dieser position aus einstellt. Machen sie weitere vierteldrehungen bis Sie ihren ausgangspunkt wieder erreicht haben.

Nun öffnen Sie das Fenster und wiederholen die beschriebene Übung.

Haben Sie unterschiede wahrgenommen? Gab es intensivere wahnehmungen?

Für den dritten durchgang begeben Sie sich nach draussen. Wiederholen sie auch hier das stehen, drehen und wahrnehmen.

Hat sich im vergleich zu den beiden anderen orten etwas verändert? 

 

Wer die gleiche übung an drei unterschiedlichen orten ausprobiert, ist den besonderen erfahrungen draussen in der natur bereits auf der spur. Denn spiritualität draussen eröffnet neue Zugänge zum eigenen da-Sein und sich-Vorfinden. Draussen spüren wir den eigenen leib in seiner verbundenheit mit seiner umwelt. Oder einfacher gesagt: Draussen steigen wir vom kopf in den ganzen leib: in füsse, arme, rücken, beine und hände. Wer bewusst naturräume betritt und in sie abtaucht, ist kein isoliertes individuum mehr, dass der welt (mehr oder weniger gleichgültig und distanziert) gegenübersteht. In der natur werden wir reil eines grossen ganzen, in dem wir uns immer schon bewegen. Draussen teilen wir uns die luft, die wir einatmen, mit bäumen, sträuchern und steinen. Wer auf seinem meditationskissen in einem abgeschlossenen raum sitzt und meditiert, will sich bewusst von seiner umgebung trennen. Spiritualität draussen lässt sich von den vielgestaltigen eindrücken und atmosphären ergreifen und umhüllen.

In meinem Buch „draussen abtauchen“ gehe ich davon aus, dass religiös sein nichts anderes bedeutet, als sich vom göttlichen ergreifen zu lassen. Und dieses ergriffenwerden beginnt nicht im kopf, sondern im leib. Ich lasse mich von den meereswellen tragen oder vom wind ordentlich durchschütteln. Aus solchen leiblichen erfahrungen können dann situationen entstehen, in denen ich nicht einfach nur ergriffen, sondern von etwas unbedingtem ergriffen werde. Ich spüre dann eine unbedingte macht, der ich mich nicht entziehen kann, weil sie durch mich hindurch und über mich hinaus geht. So erdet, verbindet und erhebt spiritualität draussen gleichzeitig.